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Der Ufo-Jäger
 Skeptical Inquirer wird 25
von Jochen Paulus
(Woche 10.01.2002)

 

Die auf einer Länge von zwanzig Metern ausgebreiteten Kohlen glühten, doch tapfer schritten der Vorsitzende der Skeptiker-Vereinigung CSICOP und seine Mannen darüber. Sie wollten wieder einmal ihre Lieblingsbotschaft demonstrieren:  „Man braucht keine paranormalen Kräfte, simple Physik genügt“, erläuterte der heil angekommene Chef-Skeptiker Paul Kurtz vergangenes Jahr vor den versammelten Fernsehkameras.

Ein Vierteljahrhundert lang bekämpfen sie nun das Irrationale – seit in Buffalo prominente Philosophen wie Willard Van Orman Quine, Psychologieprofessoren, andere Wissenschaftler und ein Zauberkünstler das „Komitee zur Nachprüfung angeblicher paranormaler und anderer Phänomene“ (CSICOP) gründeten. Als Sprachrohr fungiert das Hausblatt „Skeptical Inquirer“, das diesen Herbst seinen 25-jährigen Geburtstag feiert.

Das Übersinnliche hatte bei der Gründung in den 70-er Jahren gerade wieder einmal Hochkonjunktur. Erich von Däniken füllte die Säle mit seinen Geschichten von Außerirdischen, die in der Frühzeit der Menschheit gelandete seien. Uri Geller führte im Fernsehen Löffel vor, die er angeblich mit bloßer Gedankenkraft verbogen hatte. Und als der Zauberkünstler James Randi beim CSICOP-Gründungstreffen Gellers Wundertaten kopierte, sprang ein örtlicher Professor auf und brüllte: „Sie sind ein Betrüger, weil Sie so tun, als ob sie all dies mit Tricks schaffen, aber in Wirklichkeit benutzen Sie übersinnliche Kräfte.“

Selbst Oberskeptiker Kurtz erklärte öffentlich, er und seine Frau könnten gegenseitig ihre Gedanken lesen. Die Vereinspsychologen machten ihm klar, dass man in einer Ehe oft auch so weiß, was der andere gleich sagen wird.

Andere Gläubige leisten mehr Widerstand. Seit seiner Gründung widmet sich der „Skeptical Inquirer“ beispielsweise mit Vorliebe Ufo-Fans aller Schattierungen. Die sind ein leichtes Ziel, so dass der vergangenes Jahr zum großen Ufologen-Kongress in San Jose Entsandte einfach nur mit leicht ironischem Unterton das Gesehene berichten musste. Da präsentierte ein Referent die Familie eines Brandinspektors, in deren Kleiderschrank ein Monster lebt. Ein anderer sichtete leuchtende Außerirdische in Mexiko, die er leider nicht fotografieren konnte. Aber „er kann schwören, dass er die Wahrheit sagt“. Der Starredner wiederum meldete die Entdeckung von gläsernen Tunneln auf dem Mars. Seine Fotos präsentierte er mit Hilfe des Computerprogramms Photoshop. „Es wird in der Regel benutzt, um Bilder zu retouchieren“, merkte der Reporter nur noch an.

In der Januar-Ausgabe lässt das Blatt gerne noch einmal die Voraussagen der Hellseher für das abgelaufene Jahr Revue passieren. Pech für die Propheten, dass Prinz Charles 2000 doch nicht im Spaceshuttle mitgeflogen ist, kein fleischfressender Dinosaurier in Afrika gesichtet wurde und der zählebige Papst schon die zweite Todesankündigung desselben Gurus hintereinander überlebt hat. Aber irgendwann wird sich zumindest letztere Prophezeiung schon bewahrheiten.

Wenn es nicht um offensichtlichen Nonsens geht, fährt der „Skeptical Inquirer“ schweres wissenschaftliches Geschütz auf. Seitenlang analysiert ein Chemieprofessor die Vor- und Nachteile pflanzlicher Arzneimittel, bevor er zum Schluss kommt, dass der Käufer „als eine Art menschliches Versuchskaninchen in einer schlecht kontrollierten Medikamentenstudie fungiert; wenn genügend zu Schaden kommen, kann die Arzneimittelbehörde eingreifen, um den Rest zu schützen“. Die Literaturangaben zu 21 zitierten Studien folgen.

Mit einem blauen Auge kommen die Chiropraktiker davon. Bei Rückenschmerzen haben sie durchaus ihre Verdienste, findet das Blatt. Wenn sich viele nur nicht auch noch zur Behandlung von Asthma, Allergien und gar Bettnässen berufen fühlen würden.

So teilt das Blatt nach allen Seiten aus. Das bekannte US-Fernseh-Magazin „60 Minutes“ wird wegen seiner Medizinberichterstattung vorgeführt, in der angeblich zu Unrecht behauptet wurde, dass Haie keinen Krebs bekommen. Der renommierte deutsche Physiker Hans-Peter Dürr bekommt das Kauderwelsch („gobbledygook“) vorgehalten, mit dem er sich bei einem Kongress für die Alternativ-Medizin eingesetzt habe. Und die Kreationisten, die lieber auf den Wortlaut der Bibel als die Evolutionsbiologie vertrauen, sind ohnehin immer eine Widerlegung wert.

Die meisten Autoren halten sich an die Vorgabe der Redaktion, sich eines „professionellen und zurückhaltenden Tones“ zu befleißigen. Der Kolumnist Martin Gardner nennt freilich schon mal eine Deutung des umstrittenen Kindertherapeuten Bruno Bettelheim „ein typisches Stück freudianischen Nonsens“.

Den schönsten Lesestoff aber bieten die Berichte, in denen Skeptiker populären Schauergeschichten nachgehen. Der Film „Der Exorzist“ etwa basiert auf dem dramatischen Versuch mehrerer Kleriker im Jahr 1949, Satan aus dem Leib eines Teenagers namens R. zu vertreiben. Die Priester waren überzeugt, es mit dem Leibhaftigen zu tun zu haben, weil auf dem Körper des Jungen (der im Film zum Mädchen wurde) wie von selbst immer wieder Kratzer auftauchten – einmal sogar vor den Augen der Priester. Doch wie der skeptische Autor selbst ausprobierte, lässt sich dieser Effekt leicht künstlich erzeugen. Es genügt, kurz mit dem Fingernagel über die Haut zu kratzen, während einen Moment niemand hinsieht. Anschließend wird der Kratzer vor aller Augen sichtbar. Und R. hatte lange Fingernägel.

Zu denken gibt auch der Inhalt mancher der damaligen satanischer Botschaften. Als der angeblich Besessene hörte, dass er zur Schule gehen müsste, grimassierte er und knöpfte sein Hemd auf, um das Wort „Nein“ vorzuführen. „Für wahre Teufelsmächte eine offensichtlich kindische Sorge“, urteilt der „Skeptical Inquirer“.

Mit dem Echo auf ihre Attacken können die Skeptiker zufrieden sein. „Bewundernswert“, lobte das Hochschulmagazin „The Chronicle of Higher Education“. Solche Zeitschriften, die „die Füße der Quacksalber ans Feuer halten“ gehörten unterstützt. Uri Geller zerrte James Randi und CSICOP durch die Gerichtsinstanzen, verlor und musste 1995 wegen missbräuchlicher Klagen Schadensersatz bezahlen. Schließlich wurden vor fünf Jahren je ein Asteroid auf die Namen „Skeptikus“ und „Paul Kurtz“ getauft.

Trotzdem geben sich die geschworenen Zweifler keinen Illusionen hin. Manch lang bekämpfter Aberglaube sei zwar verschwunden, die Pseudowissenschaften insgesamt aber blieben, bilanziert der alte Kämpe James Alcock zum Jubiläum. „Wieder und wieder tauchen sie, in neuer Gestalt, mit neuer Sprache, neuen Kleidern und neuen Fürsprechern“.

Geschwächt sieht Psychologieprofessor Alcock ausgerechnet die Reihen der Parapsychologen, der am ehesten respektierten alten Gegner. Denn sie glauben zwar oft an übersinnliche Phänomene, doch sie untersuchen sie auch wissenschaftlich. Früher seien von solchen Geheimnissen faszinierte Nachwuchstalente fast zwangsläufig Parapsychologen geworden. Aber seit die Skeptiker organisiert die Stimme heben, orientierten sich die viele Begabten lieber an diesem „Leuchtfeuer“. Das freut Alcock natürlich – und doch schwingt Bedauern über diesen Sieg mit.

 

 

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